Hartmetall hart Fräsen

Fräsen von Hartmetall bis 91,5 HRA

91,5 HRa ist fräsbar:

HSC-Fräsen von Hartmetall – Erfahrungsbericht aus der Praxis

 

 

Wie definieren wir in Zukunft ultraharte Werkstoffe, wenn diese heute prozesssicher gefräst werden können? Ist 90 HRa schon ultrahart, hart oder einfach gut zerspanbar? Da es sich beim Zerspaner nicht um ein Forschungsinstitut handelt sondern um einen KMU, der täglich zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten muss,sind die Resultate und das Vorgehen um so interessanter.

 

Vorgeschichte

 

Die Firma Gebr. Bräm AG, CH-Dietikon, bearbeitet schon seit Jahrzenten Hartmetall.Da bereits 1968 die erste Erosionsmaschine angeschafft wurde, ist verständlich,dass dies meist mittels Draht- und Senkerodieren gemacht wurde. Dazu kam dann das Schleifen und Polieren. Erst als die Erosionsmaschinenhersteller Clean Cut Generatoren oder Hartmetall Optionspakete anboten, konnte das Problem von negativen Einflüssen auf die Gefügestruktur wesentlich verringert werden. Aber auch das Handling dieses speziellen Materials verlangte viel Fingerspitzengefühl. So ist es verständlich, dass der Wunsch reifte, Hartmetall nicht nur Erodieren,Schleifen und Polieren zu können, sondern auch zu Fräsen. Dies war aber lange ein nicht zu realisierender Wunsch.

Die Firma fertigt aus Hartmetall Stempel und Matrizen für den Stanzwerkzeugbau, sowie Hartmetall-Werkzeuge für die Umformtechnologie. Für die Kunden war der Verschleiss immer ein wichtiges Thema. Die Standzeiten der aufwändigen Hartmetall-Werkzeuge sollten deutlich höher liegen, als bei gehärteten Stahlsorten oder pulvermetallurgisch hergestellten Stählen ( PM-Stähle). Ganz vermieden werden sollte auf jeden Fall ein Werkzeugbruch, aufgrund fehlerhafter Bearbeitung.

Im Jahr 2011 wurde eine hochgenaue Fräsmaschine von KERN Mikro- und Feinwerktechnik angeschafft. „ Nach anfänglicher Vorsicht wurden unsere Fertigungsprofis immer mutiger. Gehärtete Stähle bis 70 HRc wurden bearbeitet. Da reifte der Wunsch,auch Hartmetall fräsen zu können, weil das KERN Maschinenkonzept die Fräser seidenweich um die Konturen führt. Ich denke, dafür ist der Einsatz von hydrostatischen Achsen und Antrieben zentral“ meinte Martin Bräm, Geschäftsführer von Gebr. Bräm AG. Es war aber doch noch ein langer, beschwerlicher Weg. Im Mai 2013 wurde die Fräsabteilung klimatisiert und zwar auf ±1 º Celsius. Das sind Bedingungen, die sonst Räume für hochgenaue Messmaschinen aufweisen. Zudem konnte man Fräswerkzeuge testen, die eine absolut neuartige Beschichtung aufweisen.

 

Erste Tests

 

Beim ersten Versuch wagte man sich gleich an ein Kundenteil aus Feinkorn-Hartmetall mit 9% Cobalt und einer Härte von 91,5 HRa. „ Wir waren alle etwas nervös, als wir mit dem Versuch begannen, schliesslich wollten wir keinen Schaden an der Spindel riskieren. Als aber unsere KERN wie gewohnt summte als sei eine Biene im Anflug, wussten wir, das passt!“ führt Martin Bräm weiter aus. Nocherstaunlicher war, was man nach Ende dieses ersten Versuchs sah: Späne! Zwarwinzig klein ( 0,25 mm lang und 0,003 mm dick)aber doch ganz klar unter dem Mikroskop zu erkennen –Späne ( Bild 1).

 

 

Dann ging es in eine zweite Versuchsreihe mit einem definierten Testteil aus einem Normalkorn Hartmetall mit 10 % Cobalt ( typische Korngrösse 2 µm und Härte 89,9 HRa): man wollte eine Form bearbeiten, die für alternative Bearbeitungstechnologien ( Schleifen, Erodieren oder Laser) eine echte Knacknuss darstellt: Unterschiedlich tiefe Taschen, freistehende Formen und ein grosser Materialabtrag. „Das Spezielle an der definierten Form war, dass wir die Innenform ins Volle frästen und zwar im 3 Achs-Modus, also senkrecht einstachen. Wir wollten das Ganze ausreizen“ meinte Martin Bräm schmunzelnd.

 

Der echte Härtetest

 

Da ein echter Härtetest gefordert war, hat man das etwas spezielle Vorgehen gewählt,die Kontur mit ein und demselben Werkzeug ( 2 mm Kugelfräser) zu schruppen und zu schlichten. Mit der definierten Testgeometrie sollten folgende Punkte festgestellt werden:

·      Oberflächengüte

·      Konturgenauigkeit

·      Bearbeitungszeit

·      Verschleissam Fräswerkzeug

Insbesondere die Punkte Konturgenauigkeit und Kantenfestigkeit interessierte die Fertigungsprofis, da hier die möglichen Schwachpunkte des HSC-Fräsen vonHartmetall vermutet wurden. Wie würde sich das spanende Bearbeiten von grossen und kleinen Innen- und Aussenradien sowie vor allem von scharfen Aussenkanten auf die Qualität auswirken?

 

Nachdem die ersten Versuche am Kundenteil gleich auf Anhieb passten, war man auch für den zweiten Versuch zuversichtlich. Gleich beim zweiten Anlauf passten alle Faktoren. „ Durch die vorgängige Klimatisierung der Abteilung stand die Z-Achse der KERN Maschine wie angenagelt, das Werkzeug verhielt sich extrem stabil. Die minime Veränderung der Oberfläche des Kugelfräsers konnten wir mittels unserem KERN µm-view Analysegeräte feststellen“ so die Fertigungsprofis der Gebr. BrämAG.

„Fast gespenstisch, dass da alles so reibungslos ablief. Eines stellen wir immer wieder fest, egal mit welchem Fertigungsverfahren wir Bearbeitungstests fahren: Wenn die ersten Versuche so problemlos ablaufen, dann hat das getestete Verfahren echtes Potential.“ meint Martin Bräm weiter.

 

Das Werkzeug arbeitete ohne Druck aufzubauen, war permanent am Span und die Maschine bewegte sich harmonisch und absolut vibrationsfrei mit dem Werkzeug.Dass dies alles so einfach passiert, ist kein Zufall, sondern auch perfekte Programmierung über das CAM System. Bekanntlich führen ja viele Wege zum Ziel,doch entscheidend ist immer, mit welchem Aufwand und mit welchem Resultat.

 

Messresultate

 

Optisch waren die Fertigungsprofis schon mal echt begeistert. Aber zeigten die Messresultate dies auch? Ja, sie zeigten ganz klar, dass Hartmetall mit dem richtigen Vorgehen qualitativ sehr gut fräsbar ist. Zudem können die Fertigungskosten jedem Vergleich mit anderen Verfahren standhalten.

 

Die gemessenen Resultate sind nach dem Fräsen gemessen. Mittels geeigneten Poliermethoden können Oberflächengüten von Ra 0,05µm erreicht werden. Die gefrästen Oberflächen verhalten sich beim Polieren aber komplett anders als die erodierten Oberflächen. Die Vermutung liegt nahe, dass die gefräste Oberfläche die identische Härte aufweist wie das Grundmaterial. Bei erodierten Oberflächen kann durch den Erosionsprozess eine Randschicht entstehen, die mittels Polieren entfernt werden sollte um auf das Grundmaterial mit der entsprechenden Härte zu gelangen. Dies kann ein weiterer Vorteil des HSC-Fräsen von Hartmetall sein gegenüber dem funkenerosiven Bearbeiten: Weniger Polieraufwand und damit auch eine höhere Konturtreue. Dies kann für die geeigneten Geometrien zu einer deutlich reduzierten Gesamtbearbeitungszeit führen.

 

 

Weiteres Vorgehen

 

Nach den extrem guten Resultaten werden nun insgesamt 6 verschiedene, einsatztypische  Hartmetallsorten einer umfassenden Testreihe unterzogen. Die Gebr. Bräm AG will als Hartmetallspezialist jedem Kunden individuell nach seinen Bedürfnissen die ideale Hartmetallsorte empfehlen können, mit der am besten geeigneten Bearbeitung. Dies setzt nicht nur voraus, dass die Anforderungen aus dem Einsatz verstanden werden, sondern auch die Bearbeitbarkeit eines jeden Materials. „ So können wir schnell und prozesssicher dem enormen Interesse an diesem Thema begegnen. Viele Kunden fragen uns schon an, ob ihre Hartmetallteile nun auch gefräst werden können. Da wir aber auch über die modernste Drahtschneidmaschine im Ölbad verfügen, sowie Senkerosion, Schleifen und Polieren für Hartmetallbearbeitung ausführen, bedeutet dies nicht automatisch, dass wir alle Hartmetallanwendungen in Zukunft fräsen. Viel wichtiger ist für unsere Kunden, dass wir den besten Bearbeitungsmix anbieten können.“ so das Fazit von Martin Bräm aus den ersten Versuchsreihen.

Einen Trumpf hält die Gebr. Bräm AG auch noch in der Hand: Sie hat erste Versuche mit einer Hochleistungskeramik gemacht; wir dürfen gespannt sein, ob diese, von vielen Experten als unlösbar bezeichnete Aufgabe, auch gemeistert werden kann.

 

Warnung

 

Abschliessend spricht Martin Bräm noch eine Warnung aus, wohlwissend, dass er und seine Mitarbeiter sich in einem fertigungstechnischen Grenzbereich bewegen:“ Wir wissen nicht, ob das HSC-Fräsen von Hartmetall auf allen HSC-Maschinen funktioniert, denn HSC ist nicht gleich HSC. Da extrem hohe Werte an spezifischer Schnittkraft für den Prozess benötigt werden, haben wir die Versuche auf einer der stabilsten Maschine auf dem Markt gemacht. Einmal eine Fräserbewegung von 0,02 mm in die falsche Richtung und die Folgen sind fatal: Möglicher Spindelschaden und auf jeden Fall das Werkzeug kaputt, wenn nicht sogar noch grössere Schäden. Die Hydrostatik unserer KERN Maschine, das neuartige Werkzeug und eine absolut perfekte Programmierung sind das mindeste, was wir in den Test einbringen konnten: Die jahrelange Erfahrung unserer Fertigungsprofis bei solch höchst anspruchsvollen Anwendungen war sicher zentral. Ohne diese Erfahrung geht gar nichts.“

December 1, 2021
Martin Bräm